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Kann die Zeit den Schmerz nehmen?

Kolumne - Kann die Zeit den Schmerz nehmen? @Horizont-Blog, Saskia Katharina Most

Wie so oft sitze ich an Opas Bett und halte seine Hand. Diesmal erzählt er mir keine Geschichten aus längst vergangenen Tagen, sondern sagt mir, dass ich eine hübsche Frau geworden bin. Es ist seit langem das erste Mal, dass er in mir kein Kind mehr sieht und ich spüre das irgendetwas anders ist – Wir beide scheinen es zu spüren. So richtig weiß ich gar nicht, was ich darauf antworten soll, also entschied ich mich zu lächeln. Ein Lächeln, welches ihn wohl sehr berührt haben muss. Mit Tränen in den Augen sagte er mir, dass ich dieses Lächeln niemals verlieren und so bleiben soll, wie ich bin. In diesem Moment muss auch ich mit den Tränen kämpfen. Ich nicke bloß und weil ihm mein Lächeln so gefallen hat, versuche ich es aufrecht zu erhalten. Eigentlich ist mir aber gar nicht zum lächeln zumute, denn mir ist klar, dass mein liebster Opa sich gerade versucht von mir zu verabschieden – Für immer. Er sagte mir sogar, dass er bald mit den Vögeln davon fliegen würde und ich deshalb nicht traurig sein soll.

Jeder Tag ist wie eine Ewigkeit – Die Zeit
heilt keine Wunden

Nur ein paar Wochen später verstarb mein Opa. Es war nicht unser letztes Gespräch, ich werde es aber auf Ewig in Erinnerung behalten. Er hat versucht mich auf den Abschied vorzubereiten. Selbst über seinen eigenen Tod hinweg, wollte er mich trösten. Und obwohl ich dachte, ich sei dafür gewappnet, hat es mir förmlich den Boden unter den Füßen weggezogen. Sehnlichst habe ich mir in diesem Moment gewünscht, dass die Welt einfach stehen bleiben würde, denn ich hatte das Gefühl, dass ich mich mit jedem neuen Tag weiter von meinem Opa entfernte. So als ob ich ihn einfach in der Vergangenheit zurückgelassen habe und nun nicht mehr zu ihm zurückkehren kann. Dass hat sich einfach so falsch angefühlt. Jeder neue Tag, an dem zwar die Sonne aufging, er aber nicht mehr da war, schmerzte zu tiefst. Ich hatte das Bedürfnis dagegen anzukämpfen, war aber völlig machtlos. Die Zeit kann man weder anhalten, noch zurückdrehen. Ohne Rücksicht auf Verlust läuft sie unaufhaltsam weiter. Tagtäglich ist man ihr wehrlos ausgesetzt.

Durch die Zeit
wird der Schmerz aber erträglich

Und trotzdem bin ich der Zeit dankbar. Dankbar, dass ich noch so viel Zeit mit meinem Opa verbringen konnte. Für all die Momente, die wir zusammen verbracht haben. Unsere gemeinsame Zeit gibt mir die Möglichkeit, die Erinnerung mit möglichst vielen wundervollen Augenblicken zu füllen. Natürlich haben wir nicht nur miteinander gelacht, sondern konnten auch miteinander weinen. Durch all die Erlebnisse, die ganzen Höhen und Tiefen, durch die wir mussten, bleibt die Erinnerung im Herzen aber erst lebendig. Keinen einzigen Moment möchte ich deshalb davon wieder hergeben. All diese Erinnerungen sind das, was die Zeit so besonders macht und den Schmerz erträglicher werden lässt.

Wenn die Zeit
zur einer Erinnerung wird

Es ist wahr. Die Zeit kann man nicht aufhalten. Wenn man sie aber mit gemeinsamen Momenten, Augenblicken und Bildern füllen kann, wird sie zu einer Erinnerung und vielleicht sogar zu unserem wertvollsten Besitz. Erinnerungen sind Zeiten aus vergangenen Tagen, Erlebnisse, die im Herzen Spuren hinterlassen haben, fast so als wäre es erst gestern passiert. Die Erinnerung lässt die Zeit unsterblich werden. Die Zeit im Herzen für immer eingefroren, dort, wo sie uns keiner mehr nehmen kann – Sie kann über den Verlust hinweg trösten und uns Kraft geben, uns aber nie ganz den Schmerz nehmen.

Du wirst mir immer fehlen!

30 Kommentare Neues Kommentar hinzufügen

  1. Anna sagt:

    Erstmal mein herzliches Beileid meine Liebe. Ich glaube so ein Verlust ist immer schwer zu verkraften und die Zeit kann es zwar leichter machen damit umzugehen, die Wunden jedoch nicht ganz heilen. Geliebte Menschen bleiben ja für immer in unserem Herzen und man vergisst sie nicht einfach so. Ich finde du hast deine Gefühle in echt schöne & berührende Worte gepackt. Ich drücke dich & wünsche dir viel Kraft für diese schwere Zeit. xxx

  2. Jane von Shades of Ivory sagt:

    Jetzt weiß ich gar nicht so recht, was ich schreiben soll. Dir zu sagen, dass es ein schöner Beitrag geworden ist, der mich sehr berührt hat erscheint mir nicht richtig. Wie kann ein Beitrag schön sein, wenn er von dem Verlust eines Menschen handelt? Und doch, deine Worte sind es…
    Ich habe mich gefühlt, als hätte ich mit euch am Bett gesessen und konnte auch ein Stück von deine Schmerz fühlen.
    Dein Text ist wundervoll. Wundervoll, ehrlich und wahr. Ich wünsche dir Kraft, Erinnerungen, die immer ganz stark bleiben werden und Momente, in denen du mit einem breiten Lächeln an deinen Opa denkst, ohne das dich der Schmerz überrennt.

  3. Milli sagt:

    Der Beitrag ist so wundervoll geschrieben und jede Zeile berührt total. Ich wünsche dir viel Kraft für die kommende Zeit. Ich glaube manchmal kann man einfach nicht mehr sagen, weil Worte nicht das ausdrücken können, was diesem Beitrag gerecht werden würde.

    Liebe Grüße, Milli

  4. Bea sagt:

    Ich kann Deine Worte fühlen. Ich weiß, wie weh es tut, selbst einen alten Menschen gehen zu lassen. Bei mir sind auch schon viele viel zu früh gegangen und jeden einzelnen davon vermisse ich so sehr, dass es schmerzt. Noch immer. Auch nach 30 Jahren noch! Zeit heilt keine Wunden. Sie macht es nur erträglicher. Ich trage die Erinnerungen weiter, damit die Verstorbenen, die ich noch kannte, noch da sind. Denn es ist erst einer richtig tot, wenn er vergessen wird. Du hast mich sehr berührt mit Deinem Beitrag.

    Traurige Grüße und mein herzlichstes Beileid, Bea.

  5. Karolina sagt:

    Ein sehen schön geschriebener Beitrag! Er berührt sehr da jeder von uns schon mal einen Menschen verloren hat, der ihm wichtig war. Und dennoch ist verloren nicht ganz verloren denn die schönen Erinnerungen bleiben für immer.
    Glg Karolina

  6. Billchen sagt:

    Beim Lesen habe ich richtig Gänsehaut bekommen, du hast es wirklich schön geschrieben. Mein herzliches Beileid. Die Zeit heilt die Wunden zwar etwas, aber ganz verheilen wird es nie. An den schönen Erinnerungen sollte man in jedem Fall festhalten und sich oft an die lieben Menschen zurückerinnern. Ich wünsche dir noch ganz viel Kraft meine Liebe.

    Liebe Grüße
    Sybille

  7. hedmee sagt:

    Ein sehr wundervoller und gefühlvoller Beitrag zugleich. Ich kann dich sehr gut verstehen und deine Worte nachvollziehen. Denn auch ich habe ähnliches erlebt, nur leider noch viel früher in meiner Kindheit. Der Schmerz wird erträglicher, aber bleibt dennoch intensiv. Erinnerungen helfen und das schöne gemeinsame Erlebte wird im Herzen bleiben.
    Ich wünsche dir viel Kraft und alles Liebe,

    Doreen

  8. MissLaven sagt:

    Mein herzliches Beileid erst einmal. Es ist immer schwer, wenn Menschen die man liebt sterben, allerdings finde ich es schön, dass ihr sogesehen die Gelegenheit hatten euch voneinander zu verabschieden. Ich denke, dass diese Erinnerungen einem Kraft geben für die Zukunft und einen immer begleiten werden und stark machen!

  9. Anja S. sagt:

    Hallo Du Liebe,
    ich kann es so nachfühlen. Ich denke auch noch oft an meinen geliebten Opa, der so gerne zu meiner Hochzeit gekommen wäre, aber es wegen dem Krebs nicht geschafft hat. Kurz darauf ist er verstorben ohne dass ich ihn noch einmal gesehen habe. Das tut mir heute noch so weh.
    Liebe Grüße
    Anja

  10. Marie sagt:

    Auch ich kann deine Worte sehr gut nachfühlen. Es ist immer schwer einen geliebten Menschen zu verlieren. Meine Oma ist vor 10 Jahren gestorben und es vergeht keinen Tag, an dem ich nicht an sie denken muss. Wir waren uns sehr nahe und im Vielem so ähnlich. In meinen Erinnerungen ist sie aber immer bei mir…
    Alles Liebe und mein herzliches Beileid
    Marie

  11. Ich habe gerade wieder weinen müssen. Ich kann deine Gefühle so nachvollziehen. Bei mir sind vor kurzem meine Schwester, der Vater meines Sohn und mein (Ex)Schwiegervater, also der Opa meines Sohns, innerhalb von einem Monat total überraschend – und zwei davon viel zu jung – verstorben. Ich sage mir und meinem Sohn auch: die Menschen begleiten uns weiter in unserer Erinnerung und so werden sie immer bei uns sein. Aber sie werden auch immer schrecklich fehlen, in vielen Momenten besonders. Aber es wird besser und der Schmerz überwiegt irgendwann nicht mehr so. Die Dankbarkeit für die gemeinsame Zeit ist echter Trost. Ich wünsche dir viel Kraft udn es ist schön, dass du eienn so liebenswerten Opa hattest!.

    Viele liebe Grüße
    Chris

  12. Mo sagt:

    Hach, liebe Saskia,
    ich kann so mit- und auch nachfühlen. Dein Text ist wirklich sehr, sehr berührend und ich kenne einige Parallelen zu mir und meinem Opa wieder. Jetzt habe ich Tränen in den Augen, denn obwohl es bei mir nun schon zwei Jahre her sind, dass ich ihn hab gehen lassen müssen, schmerzt mir das Herz immer noch jeden Tag.
    Aber weißt du, die Erinnerung gehört uns und in unseren Gedanken und in unserem Herz dürfen unsere Opas weiterleben :*

    Liebe Grüße,
    Mo

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